Ich schaue auf den Kalender, es ist Ende Oktober. Dann schaue ich mich an. Jeans, dünner schwarzer Wollpullover. Schuhe, Jacke, Schildmütze. Sollte passen. Ich gehe vor die Tür und weiß nicht, ob ich gerade von Außen nach Innen oder von Innen nach Außen gegangen bin. Dort, wo ich jetzt bin, ist es jedenfalls wärmer, als dort wo ich herkomme.
Dann fällt es mir wieder ein. Die Gaspreise sind gestiegen, Putin, der Krieg, die Heizung, die immer noch konsequent aus bleibt, weil sie es kann. Auch in unserem gut gedämmten Lehmhaus aus dem 19. Jahrhundert.
Dann fällt mir wieder ein, dass ich erst heute Morgen gelesen habe, dass es in Deutschland zum ersten Mal, seit man Temperaturen misst, so spät im Oktober Tropennächte(!) gegeben hat. In Aachen und anderen Städten war es gestern Nacht wärmer als 20° Celsius. Hätten wir die Gründe für die kühle Wohnung und die warme Außentemperatur geklärt. Ich bin draußen und für die Klimakatastrophe höchst unangemessen gekleidet. Ich bringe die Jacke wieder zurück und springe in meinen Lieblingslendenschurz. 

Dummerweise habe ich vor geraumer Zeit den Fehler gemacht, mich so ideologiefrei wie möglich mit dem Klimawandel zu beschäftigen. Frei von Meinungen und Ansichten, also rein auf der wissenschaftlichen Ebene, noch genauer: dem weltweiten wissenschaftlichen Konsens. Alles in allem komme ich daher zu folgendem Schluss, wie unsere Zukunft aussehen wird:

  • zuerst kollabiert unser Wirtschaftssystem (12-15 Jahre!?)
  • dieser Umstand reißt dann den dünnen Firniss der Zivilisation entzwei
  • danach und/oder währenddessen gibt uns Menschen die Klimakatastrophe in einer unwirtlichen Welt erst so richtig den Rest. Die paar, die das alles überleben, müssen da dann ungefähr 1.000 Jahre lang durch, bis es langsam wieder besser wird.

… und das ist (glaube ich) schon mit die optimistischste Variante, die Daten zu verstehen. 

Konkret kann ich also den Zeitpunkt der Apokalypse für mich selbst auf folgenden Termin datieren:
Ein Reichsbürger in Tarnfleck-Anzug erschießt mich ein paar Jahre vor der Rente, weil ich etwas zu lange verduzt auf die 5-Liter-Ravioli-Dose schaue, die aus seinem Armeerucksack lugt. 
Andererseits bekomme ich immer noch Altersvorsorgetipps meiner Sparkasse zugeschickt. Hmm..

Nichts bringt so viel Gewalt hervor, wie der Mangel.

Matrix Resurrections

Intelligenz war in der Evolution noch nie eine gültige Währung, das bestätigten mir neulich erst ein Quastenflosser und ein Leistenkrokodil mit heftigem Kopfnicken, als sie gerade im Schatten eines Gingko-Baumes saßen.
Der Mensch hat sein Handeln noch nie so ganz und rein auf der Basis von Vernunft gedeihen lassen, wenn es eine bessere Geschichte gab, auf die man sich einigen konnte. Sonst würde (nur so zum Beispiel) auch niemand sein Denken und Handeln an einer Geschichte ausrichten, die Jahrhunderte nach den vermeintlichen Ereignissen erstmals auf hebräisch und aramäisch aufgeschrieben wurde, dann, damit es auch nicht gleich jeder selbst lesen kann, eine lateinische Übersetzung bekamen und schließlich, erst ziemlich spät, auf deutsch verfügbar waren.
Und alleine schon die letztgenannte Sprache ist immerhin eine, in der ein Satz wie: „Du sollst diese Touristengruppe umfahren!“ völlig gegensätzliche Bedeutungen haben kann. 

Anderes Beispiel: Deutschland gibt es als Nation erst seit 1871. In der kurzen Zeit bis jetzt hat man sich schon auf höchst unterschiedliche Gesellschafts- und Herrschaftsformen geeinigt (ich komme auf fünf), ohne das sich jemand wundert (von den Grenzverläufen ganz zu schweigen). Trotzdem scheint noch eine weitere, zeitgemäßere Idee aktuell keine guten Chancen zu haben.

Zurück zum Anfang. Was kann man da nun machen, drängt sich die Frage auf? Meine stark vereinfachte Milchmädchenrechnung geht so: Wir müssen sofort alle auf zwei Drittel unseres Wohlstands verzichten und können uns den Rest dann vielleicht klimaneutral wiederholen.
Wird aber nicht passieren. Wer soll es den Leuten sagen? Die Politik schon mal nicht, sonst würde sie nicht weiterhin das 1,5°-Ziel verfolgen, wo dieses doch von der Wissenschaft schon lange beerdigt wurde. Ohne Verzicht geht es nicht. Der Kapitalismus muss sterben. Ein Ding der Unmöglichkeit, bis es eh nicht mehr anders geht. Es fehlt aber auch am bislang unveröffentlichten Plan in dem steht, was jeder Einzelne zu tun hat, damit es doch noch irgendwie klappt, gerade so durch die Kurve zu kommen. Mit einer konkreten Bedienungsanleitung geht vieles besser.
Weltrettung wäre doch eine schöne Geschichte, die man sich erzählen kann. Wäre ich gerne dabei nach all den Jahrzehnten der Völlerei. Kann ich meinen Enkeln im Schatten eines Gingkos sagen: »Kinder, ich war dabei, als damals die Welt für euch gerettet wurde… und nun lasst euch eure Käfer schmecken.«